Der Uhrmacher in der Filigree Street by Natasha Pulley

Der Uhrmacher in der Filigree Street by Natasha Pulley

Autor:Natasha Pulley
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Urban Fantasy, Irlandkonflikt, Terroristen, Uhren, Uhrmacherkunst, England, Irland, Japan, Britisch, Magischer Realismus, Scotland Yard, London, Historisches London, Alternative Geschichtsschreibung, Magie
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2022-01-15T00:00:00+00:00


SECHZEHN

Ein Scheppern drang von unten herauf. Ihre Brüder waren beide zu Hause. Da es sechs Uhr war, die Essenszeit des Personals, waren weder der Butler noch Alice zur Stelle, um sie zurechtzuweisen. Grace seufzte und überprüfte noch einmal das Kartenspiel.

An diesem Morgen war sie mit Alice in die Stadt gegangen und hatte zwei identische Kartenspiele gekauft. Nachdem sie aus dem ersten Spiel das Pikass herausgenommen und in das zweite Spiel gesteckt hatte, hatte sie letzteres wieder eingepackt und verschnürt. Es war nur ein einfacher Test, aber nachdem sie den ganzen Sonntagnachmittag darüber nachgedacht hatte, schien es ihr die beste Methode zu sein. Bei etwas Komplizierterem würde Thaniels Freund erahnen, dass irgendwas im Schwange war. Das Ergebnis würde klar und eindeutig sein. Wenn er, bevor sie spielten, das zusätzliche Ass herausnahm, würde das Thaniels Hypothese deutlich untermauern. Tat er es nicht, konnte man davon ausgehen, dass er ein Betrüger war. Er war schließlich Uhrmacher, und Grace hatte noch nie einen mechanisch gesinnten Menschen kennengelernt, der einen einmal entdeckten Fehler bestehen lassen konnte. Wenn er wusste, dass eine zusätzliche Karte in dem Spiel steckte, würde er sie herausnehmen. Er hatte keinerlei Grund, es nicht zu tun.

Das Barometer neben dem Spiegel zeigte nun »Regen« an, nachdem die Quecksilbersäule gefallen war. Grace betrachtete es einige Sekunden lang und schaute dann wieder durch die offen stehende Tür. Auf dem Flur war niemand; Alice war in die Küche hinuntergegangen. Sie hatten verabredet, dass sie in zwanzig Minuten aufbrechen würden. Grace steckte das manipulierte Kartenspiel in die Tasche ihres Sommermantels und legte ihn sich über den Arm. Sie war gespannt zu sehen, wie der Uhrmacher reagieren würde, wenn sie verfrüht und unbegleitet dort auftauchte.

Sie war am Fuße der Treppe angelangt, als ihre Brüder an ihr vorbeistürmten. Sie waren nicht viel jünger als sie, neunzehn und einundzwanzig, verhielten sich aber, wenn sie auf Urlaub waren, wieder wie kleine Kinder.

»Aus dem Weg, aus dem Weg!«, rief James. Er hielt einen Rugbyball in der Hand.

Grace wich an die Wand zurück. »Ihr spielt doch nicht etwa hier im Haus Rugby.«

»Nein, dafür haben wir nicht genug Männer. Willst du nicht mitspielen?«, fragte William strahlend. Er war der Jüngste, und Grace nahm an, dass er den Ball angeschleppt hatte. In Grace’ Kindheit war das Spiel noch unbekannt gewesen, aber William hatte es dann in Eton kennengelernt, als es gerade populär wurde, und jetzt sprach er in einem ehrfürchtigen Ton davon, den er sich normalerweise für Frauen und Gewehre aufhob. Nachdem sie ihn einmal zu einem Spiel der Harlequins in Hampstead begleitet hatte, hatte sie ihre beiden Brüder zu überreden versucht, sich stattdessen dem Kricket zuzuwenden. Beim Kricket gab es Regeln – da durfte man einem am Boden liegenden Gegenspieler nicht einfach so auf dem Kopf herumtrampeln und das dann auch noch als Begeisterung ausgeben.

»Nein«, sagte sie. Dann blickte sie an den beiden vorbei in den Salon. »Habt ihr die Vase kaputt gemacht?«

»Oh. Kann sein. James! Hier!«

Das war, entschied sie, alles nicht ihre Angelegenheit. Sie hatte Besseres zu tun.

Draußen klebte ihr die Hitze wie Honig auf der Haut und wogte an den Marmorfassaden der Stadthäuser entlang.



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